Eteri Lamoris
Leben in Gesang und Musik
Die Sangerin
im Gesprach mit Maria Reiter
Zwischen Hongkong und dem Interna- tionalen Festival in Macau uber Italien weiter nach Los Angeles reisend, um Ihren kunstlerischen Verpflichtungen nach- zukommen, sind Sie noch einige Tage in Ihrem Haus in Madrid. Ein anstrengendes, ein spannendes Leben? Anstrengend, ja und nein. Es ist eine Frage der Organisation und vor allem der Disziplin. Mein Leben ist Gesang und Musik, es macht mich glucklich zu singen, und das Wunderschone dabei ist, dass ich zusammen mit Kollegen und Orchestern auch vielen Menschen gluck- liche Stunden bereiten darf. Wir leben in einer globalen Welt, uberall auf dieser
Erde wird Oper gesungen, werden Kon- zerte gespielt, und ich freue mich, dass ich in dieser weltweiten Kultur und Opernszene einen festen Platz gefunden habe. Ich habe bereits sehr fruh begonnen, internationale Wettbewerbe zu singen und bei neun internationalen Wettbewerben sieben Mal erste Preise ge- wonnen. Seit nunmehr 13 Jahren lebe ich nicht mehr in meiner Heimat in Georgien, sondern in Madrid, zusammen mit mei¬ner Familie, vor allem meiner Mutter und meiner Tochter.
Was hat Ihnen auf Ihrem Weg als int-ernational anerkannte Opernsangerin besonders geholfen?
In erster Linie war es meine wirklich sehr profunde Ausbildung, die ich in Georgien an der Hochschule genieBen durfte. Zum damaligen Zeitpunkt war meine Heimat Georgien noch nicht in Schwierigkeiten, wir jungen Kunstler wurden durch hervor- ragende gesangliche und schauspieleri- sche Ausbildung, verbunden mit Ballett und Tanz und vor allem mit der Werkthe- matik, intensiv vertraut gemacht. Diese Basisausbildung gemeinsam mit den Er- fahrungen bei den Wettbewerben war naturlich eine sehr hohe Erkenntnis, wel- che mir heute sehr zugute kommt. Durch geschickte Fuhrung von hochprofessio- nellen Lehrern wie Renata Scotto und Ruthilde Boesch, aber auch von meiner Mutter Lamara Tchkonia, die eine aner-kannte Diva gewesen ist, habe ich vor allem eine gute Basis in der Erarbeitung von Rollen gehabt. Das schrittweise Erarbeiten von Partien, von Koloraturen, von Details erfordert nicht nur viel Kraft, sondern vor allem Disziplin und Zeit. Das Zeitmanagement ist fur uns Sanger von besonderer Bedeutung, weil wir bei Proben und auf der Buhne viel Substanz verbrauchen. Auf der Buhne leben wir auch in einer Rolle, die den Sanger nicht nur stimmlich, sondern auch korperlich voll fordert. Es ist daher ganz wichtig, Regenerationsphasen einzubauen, damit sich der Stimmapparat erholt und ich auch korperlich und mental auf die nachsten Aufgaben optimal vorbereitet bin.
Bereits im Alter von 21 Jahren wurden Sie als „eine der zehn besten Stimmen weltweit“ im OPERALIA Wodd Opera Wettbewerb gefeiert und gemeinsam mit Jose Cura mit dem ,,Publikumspreis“ von Wien ausgezeichnet, 1995 wurden Sie in internationalen Medien als neue Perle der Opernwelt genannt. Wie geht man mit diesen Vorgaben um?
Die stimmliche Ausbildung ist Basis jeder Qualitat eines Sangers, vor allem auf langere Sicht gesehen. Leider ist es immer wieder so, dass junge Sanger und Sangerinnen kurzfristig verheizt werden, weil sie sich auf Rollen einlassen, fur die ihre Stimme noch nicht reif genug ist, und sie vor allem neben ihren laufenden Tatigkeiten nicht die notwendige Weiterbil- dung betreiben. Ich versuche hier, wirk¬lich konsequent einen Weg zu gehen, der mir die Qualitat und die Weiterentwick- lung meiner Stimme sichert. Ich bin das nicht nur mir schuldig, sondern vor allem auch jenen, die im Auditorium sitzen und die durch das Kaufen von Tickets den Opernbetrieb letztendlich uberhaupt moglich machen.
Wo befindet sich Eteri Lamoris derzeit auf ihrem Karriereweg? Was sind Ihre momentanen Aufgaben?
In diesem Jahr habe ich schon wunder- bare Produktionen gesungen. Im Teatro dell’Opera di Roma unter Nello Santi „I Capuleti e i Montecchi“, in der Hartford Opera “Lucia di Lammermoor”, in Nea- pel im Teatro San Carlo “La Boheme” und in Florenz “La Traviata” in einer Zeffirelli- Produktion. Im Oktober singe ich beim XVIII Internacional Music Festival of Ma¬cau “Romeo et Juliette» sowie im Konzert Mendelssohns 2. Symphonie. Nach Vorstellungen von „La Traviata“ in italie- nischen Operhausern bin ich dann an der Los Angeles Opera, wo ich „La Boheme“ singen werde. Im Dezember und Januar geht es wieder nach Asien mit einer Pro- duktion von „La Traviata“ unter der Re¬gie von Marta Domingo auf diese Arbeit freue ich mich besonders. In Frankreich bereite ich mich fur eine „Lucia di Lammermoor“ – Produktion in Angers und Nan¬tes vor. Neben diesem Opernprogramm habe ich an der Produktion einer CD bei Preiser gearbeitet, die im November un- ter dem Titel „Virtuosissimo“ auf dem Markt erscheint. Es handelt sich um virtuose Arien, angefangen vom Barock bis zur Klassik (u. a. Handel, Gluck, Haydn, Bach, Mozart und Vi-valdi), also eine differenziert gestaltete Einspielung musikalischer Perlen zweier Epochen, die trotz vieler Interpretationen immer noch recht fremd sind. Mit groBer Intensitat und zunehmend mehr setze ich mich mit dem Thema Lied und Konzertgesang auseinander. Es bietet ein groBes Gestaltungs potential personlicher Interpre¬tation und Individualitat.
Wohin gehen Ihre zukunftigen Pla¬ne und Ihre zukunftige Entwicklung? Mit Spannung und Intensitat arbeite ich an der Entwicklung eines neuen Repertoires, wobei der Schwerpunkt nun bei Opern von Mozart, Rossini, Bellini, Donizetti und Gounod liegen wird. Hier gibt es schon sehr interessante Gesprache fur meine Mitwirkung in verschiedenen Produktionen. Ich fuhle mich sehr stark hingezogen zu diesem Fach. „Il Turco in Italia“, „Lucia di Lammermoor“,„Tancredi“„Semiramide“, „I Puritani“, „Les Con¬tes d’Hoffmann“ und die „Manon“ von Massenet sind Opern, die mich faszinieren und an denen ich arbeite und sie auch erfolgreich singe. Vor allem Manon ist ein Charakter, den ich darstellerisch sehr interessant finde, da diese Rolle eine schwer zu realisierende Mischung aus madchenhaft kaprizoser Leichtigkeit, kurtisanen haftem Hochmut und verzehrender Leidenschaft verlangt.
Welche Veranderungen an der Oper sehen Sie?
Unlangst hat mir in einer Diskussion ein Ehepaar gesagt, es sei so begeistert, auf der Buhne junge, gutaussehende Sanger mit wunderbaren Stimmen gesehen und gehort zu haben. Es hat dies als sehr positive Entwick¬lung bemerkt. Eine weitere intensive Thematik ist die der modernen Regie, des modernen Regietheaters. Viele der neuen Regie-Aspekte finde ich hervorragend, weil sie die Weiterent- wicklung der Oper ermoglichen, man- che sind etwas uberzogen. Es wer- den sich auch hier einige Veranderun¬gen auftun. Wir Sanger sind hier insofern sehr oft betroffen, weil die Regie auf die Gesangsfragen oftmals nicht die notwendige Rucksicht nimmt. Das Thema des Regietheaters wird naturlich intensiv diskutiert, aber es gibt eine klare Einstellung – die Weiterentwicklung ist ein wichtiger Aspekt, auch in der Oper; ver- staubte Produktionen sprechen nicht mehr an. Nun offnet sich die Frage: Was ist modern? Ich glaube, das ist nicht die Hauptfrage, sondern die nach der Asthetik und der Un- verwechselbarkeit der Musik und des Textes. Hier darf es keine Entstellung geben, die musikalische und gesangliche Qualitat darf nicht zerstort werden, sondern im Gegen teil, sie soll durch die Regie optimiert werden.
Wie geht es Ihnen eigentlich bei der Erarbeitung einer Role bis hin zur Premiere? Ist es eine sehr aufregen- de, eine sehr nervenaufreibende Zeitspanne?
Das ist eine gute Frage, und es ist jedes Mal ein ungeheuer spannen- des Erlebnis. Es ist eine Mischung, in der man beginnt, sich mit den Texten, mit der Rolle, mit den Partituren auseinanderzusetzen, das fuhrt weiter uber die Erarbeitung der Partie unter Begleitung eines professionellen Korrepetitors bis hin zu den Orchesterproben und zur Pre-miere. Sukzessive baut sich dabei auch das ungeheure Spannungsverhaltnis auf, einerseits mit der Rolle selber, mit den Kollegen, mit denen man arbeitet, mit der Regie, mit der Musik, aber auch mit den Fragen: Wird die Produktion erfolg- reich? Werde ich auch die an mich gesetzten Erwartungen erfullen konnen? Diese Fragen stellen sich mir personlich, aber naturlich auch nach auBen hin, und das wechselt dann kurz vor der Premiere eigentlich in eine sehr starke Ungeduld, endlich, endlich sozusagen die Arbeit auf der Buhne umzusetzen. Die letzten Stunden vor einer Premiere sind wirklich oft erleichternd und gleich- zeitig aufregend, weil ich eigentlich das Gefuhl habe, ich mochte jetzt schon auf der Buhne stehen und sin- gen. Dieses Leben, das also sehr spannend ist, ist naturlich manch- mal, nicht nur fur mich selber, auch fur meine Familie anstrengend. Zur Disziplin gehort auch die Frage der Ruhepausen, sich in den privaten Bereich zuruckzuziehen, kein Be- such von Lokalen, in denen ge- raucht wird und ahnliches mehr
Aber das ist einfach ein Bestandteil, den ich gerne akzeptiere, weil ich den Beruf der Sangerin als meinen Le- bensberuf erkannt und gewahlt habe. Auch mein Familien und Freundes- kreis kann das sehr akzeptieren, was die Nervositat vor Auffuhrungen be- trifft, sind sie naturlich manchmal schon sehr gefordert.
Sie haben zuerst Ihre Tochter er- wahnt. Ist diese auch schon kunstle- risch tatig oderplant sie, kunstlerisch tatig zu werden?
Meine Tochter Ana hat sicher eine gute Begabung als Sangerin, uberhaupt ein musikalisches Talent, und ist in der Klavier-, aber auch Ge- sangsausbildung. Keineswegs moch- te ich jedoch auf sie einen Druck aus- uben, eines Tages dieser Karriere zu folgen, denn fur einen so jungen Men- schen ist eigentlich die Lebenspla- nung noch nicht vorgegeben. Es ist wichtig, dass sie auch erkennt, dass, wie jeder Beruf, auch mein Beruf Son- nen- und Schattenseiten hat. Oftmals, wenn sie allein bei meinem Mann und meinen Eltern in Madrid ist und ich auf Tournee bin, waren wir sicher ger¬ne zusammen, und ich versuche, wo immer es auch geht, sie auf meinen Konzert und Opernreisen mitzuneh- men.
Ich wiederum profitiere sehr viel von ihr und auch von ihren jungen Freunden, weil ich sie in der Entwicklung erlebe und all ihre Wunsche und Probleme, auch aufgrund des nicht so groBen Altersunterschiedes zwischen ihnen und mir, gut fuhlen und verstehen kann. Ich konfrontiere mich mit ihren Interessen und lerne auch viel daraus. Wenngleich es sehr viele junge Menschen leichter haben, als es vielleicht fruher war, bin ich doch be- sorgt uber deren Zukunft in diesen un- ruhigen Zeiten. Ich glaube aber fest daran, dass die Musik trotz der Unruhe unserer Zeit eine durchaus positi¬ve Botschaft sein kann, und aus diesem Grund versuche ich, durch Be- nefizkonzerte uberall in der